
Der High Scardus Trail
Der Grama Pass
Der High Scardus Trail ist ein 301 km langer Fernwanderweg, entlang der Grenzen zwischen Albanien, dem Kosovo und Nordmazedonien. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit hat die Idee des Fernwanderwegs entwickelt, um den strukturschwachen Bereich des Westbalkans zu entwickeln.
Wir haben nicht so viel Zeit und haben uns daher für den südlichen Teil des Trails entschieden. Ausgangspunkt ist das Hochland von Gora im Bergdorf Shishtarec. Der erste Trekkingtag belohnt uns mit Panoramablicken über weitläufige Wiesenlandschaften. Im Hochsommer ist es hier sehr heiß, doch oberhalb der 2.000 m Marke ist es erträglich. Im Bergdorf Caje finden wir Unterkunft bei einer sehr netten Familie, die uns herzlich willkommen heißt.
Eine friedliche Welt
Am nächsten Tag geht es weiter nach Radomire durch märchenhaft blühende, kniehohe Almwiesen. Wir teilen den Weg ausschließlich mit grasenden Wildpferdeherden, die uns interessiert anschauen. Die Welt ist hier unglaublich friedlich. Kaum zu glauben, dass wir mitten in Europa sind. Wir nutzen diese Freiheit und machen Pausen an den schönsten Flecken und haben diese ganz für uns allein. Abends werden wir von einer Familie beherbergt, die ein kleines Gästehotel bewirtet. Betritt man den Hof, taucht man in eine andere Welt ein. Es erwartet uns ein herrlicher Garten mit allem, was das Herz begehrt. Ein Feigenbaum bietet Schatten und ein Laufbrunnen spendet kaltes Bergwasser. Am nächsten Tag besteigen wir den Korab (2.764m). Hier treffen wir tatsächlich ein paar Touristen. Der Anstieg ist lang und felsig. Trittsicherheit ist gefragt. Auf dem Gipfel hat man eine herrliche Sicht auf die albanische und mazedonische Berglandschaft.
Schafabtrieb auf der Grama Alm
Nach einer herrlich ruhigen Nacht mit frischer Bergluft geht es auf einem alten Patrouillenweg weiter zur Grama-Alm. Die Schäfer heißen uns am späten Nachmittag willkommen. Sie leben in einfachen Holzhütten auf 1.770 m Höhe. Es gibt weder Strom noch fließendes Wasser. Wir erhalten einen außergewöhnlichen Einblick in das Alltagsleben zweier Schäferfamilien. Der Almabtrieb der Schafe am Abend ist streng geregelt. Nach einem festen System treiben die Hirten die Tiere zu festen Uhrzeiten von den steilen Hängen. Mit Pfiffen wird sich über die Hügel hinweg verständigt. Die Tiere wissen genau, wann sie warten müssen. Eine derartige Ordnung von mehreren tausend Tieren (ich überschlage mehr als 6.000 Schafe), habe ich bisher noch nicht erlebt. Die Alm wurde als Weltkulturerbe vorgeschlagen! In der Nacht scheint sich ein Wolf oder Fuchs herumzutreiben, so genau weiß man es am nächsten Morgen nicht mehr. Die Hütehunde schlagen an und die Hirten schreien hektisch umher. Interessiert kriechen wir aus unseren Schlafsäcken und setzen uns ans Lagerfeuer. Das Schauspiel findet auf der anderen Seite des Tals statt und wir können nur erahnen was vor sich geht. Der Lärm ist ohrenbetäubend und wir überlegen kurz, welchen Sinn der Hütehund in unserer Nähe hat. Wir beschließen sicherheitshalber wieder unser Nachtlager zu betreten.
Bärenspuren und leergefutterte Honigwaben
Etwas übermüdet müssen wir am nächsten Tag den Grama Pass (2.300) überschreiten. Er hat einige Kletterpassagen in einfachen Graden, die auch von Gämsen benutzt werden. Weiter geht es Richtung Rabdisht. Im dichten Wald gibt es Bärenspuren, einen fetten Tatzen Abdruck und leergefutterte Honigwaben sind zu bestaunen. Wir bewegen uns umsichtig und bleiben dicht zusammen. Tatsächlich auf Sichtweite, aber mit genügend Abstand, sehen wir für einen kurzen Augenblick einen dicken Braunbären, bevor er im Wald verschwindet. Eine Weile warten wir noch ab und dann setzen wir unseren Weg zügig fort! Immer wieder bleiben wir stehen und lauschen, ob wir Tiergeräusche hören.

In den Dörfern von Dibra

Traditionelle Lebensweise rund um Dibra
Erneut kommen wir bei einer sehr netten Familie unter. Ich bewundere die Gastfreundschaft der Albaner*innen. Wie immer wird mehr aufgetischt als wir essen können. Inzwischen beherrsche ich ein paar Brocken albanisch und ich freue mich, dass ich verstanden werde. Zum Abendessen genießen wir albanischen Wein und am nächsten Tag geht es durch die Dörfer von Dibra. Die Welt scheint hier im Mittelalter stehen geblieben zu sein. Neugierig werden wir beim Passieren der Ortschaften bemustert. Ein paar Schulkinder wollen ihr Englisch testen und nutzen diese willkommene Ferienattraktion. Immer wieder kommen Frauen aus ihren Häusern und bieten uns Obst oder Tee an. Es scheint lange Niemand fremdes hier vorbeigekommen zu sein.
Ich bin froh mich für diese Reise entschieden zu haben. Ein empfehlenswerter Trail, der noch nicht überlaufen ist!