1/25 – LA PALMA

Kurz vor Santo Domingo auf dem GR 130

La Palma – La Isla bonita o La Isla verde y salvaje?

Animiert durch einen Vortrag im Ludwigforum im letzten Jahr, in dem La Palma nicht nur als schöne, sondern auch als ausgesprochen grüne und wilde Insel beschrieben wurde, wollte ich es selbst wissen. Ich hatte sie bei meinem Besuch vor rund 20 Jahren eher als karg und heiß in Erinnerung. Aber das war ja lange her und vulkanisch hatte sich ja auch einiges geändert!

Tag 1: Nordosten

„Nur die runden Wasserbecken auf den Bananenplantagen haben den Lavastrom überstanden. Er ist einfach drumherum geflossen. Die Häuser hat er unter sich begraben.“ Toni, unser Taxifahrer, erklärt anschaulich, welche Folgen der Vulkanausbruch im Herbst 2021 für die Insel hatte und immer noch hat. Mit nur 100.000 Euro seien die Bewohner entschädigt worden, die nur noch ihr Leben hätten retten können. Deutlich mehr habe es für die Plantagenbesitzer gegeben, denn Bananen seien das Hauptexportgut und neben dem Tourismus die wirtschaftliche Stütze La Palmas. Beeindruckend sei der Zusammenhalt der Inselbewohner gewesen. „Alle haben mit angepackt, jeder ist bei Freunden oder der Familie untergekommen. Und Dank des Frühwarnsystems, das schon Monate vorher einen Ausbruch in der Nähe von El Paso angekündigt hat, gab es keine Toten oder Verletzten.“

Santa Cruz

Wir nähern uns Tazarcorte mit einem der längsten Strände der Insel, die hier ausnahmslos schwarz und grau sind. Am Ausgang der Caldera de Taburiente duckt sich der Ort zum Teil an den Felsen, erstreckt sich aber auch mit einer lebhaften Hauptstraße raumgreifend auf einer netten Anhöhe inmitten von Plantagen. Oberhalb des Ortes haben wir einen Ausblick in den jüngsten Vulkan Tajogaite, was „rissiger Berg“ bedeutet. Er ist mit seinen 3 ½ Jahren noch im Kindergartenalter und qualmt noch aufmüpfig. Durch die tiefschwarze Lava hat sich schon wieder eine Straße gefressen, die weiter nach Fuencaliente in den Süden führt. Wir kommen gerade aus dem Nebel, der uns heute auf dem mit 1.854 Meter höchsten einzelnstehenden Gipfel der Insel, dem Pico Bejenado, umgeben hat. Durch mystischen Kiefernwald ging es vom Sattel an der Mirador de La Cumbrecita rund 600 Meter hinauf in der Hoffnung, die Wolken unter uns zu lassen; und tatsächlich standen wir ein paar Minuten unter strahlend blauem Himmel und wärmten uns auf.

Museumsartige Unterkunft mit Papayas in Santa Cruz

Typischer Farbtupfer Pericallis papyracea

Wir, das sind Marion, Gabi, Philip und ich – vier Sonnenhungrige, die Ende März nicht mehr auf den Frühling in Aachen warten konnten und Wandern, Sonne, gutes Essen und Spaß miteinander verbinden wollten. Einmal rund um den nördlichen Teil der Insel, in oder auf die Caldera des Taburiente und über den Inselrücken die Ruta de los Vulcanos nach Süden sollte es gehen, unterstützt durch Bus- und Taxifahrten.

Bananen – der Reichtum La Palmas

Leche y Leche – Milchkaffee mit Kondensmilch Kraft für den Tag

Frischer und leckerer geht es nicht!

Papayas zwischen Bananenblättern

Mandel oder Pfirsich – jedenfalls noch unreif

Rast beim Abstieg zum Meer bei Orotava im Nordosten

Lebendige Innenstadt in Santa Cruz

Gestartet in einem Stadthaus in Santa Cruz de la Palma, das eher einem Museum entspricht und das Leben des frühen 20. Jahrhundert widerspiegelt, durchstreiften wir am ersten Tag die endlosen Bananenfelder von Puntallana nach Los Sauces. Vergeblich schauten wir nach reifen Bananen, die kleinen Grünen wiesen nur auf ihren Farbwechsel während des Transportes und der Lagerung in deutschen Supermärkten hin. Alternativen gab es aber reichlich: auf den Punkt reife Avocados, die frisch vor den Zaun gefallen waren, Papayas, die zwar viel zu hoch hingen, aber im Supermarkt in gut erreichbarer Höhe lagen. Zugegeben, ihr etwas eigener Geschmack musste erst einmal überwunden werden. Orangen fehlten natürlich auch nicht. Sie sind für mich reine verflüssigte kanarische Sonne. Nur die unreifen Pfirsiche, Feigen und Mangos waren vor uns noch sicher. Sich nach dieser paradiesischen Wanderung in das unterhalb von Los Sauces liegende Naturbad zu stürzen, war ein pures und durch die hereinrauschenden Wellen auch wildes Vergnügen.

Charco Azul – ein Naturbad mit Wellengang

Tag 2: Norden

Nach einer Nacht im sehr angenehmen direkt im Zentrum gelegenen Hostel Bubango ging’s mit dem Bus über Barlovento nach La Mata im Norden der Insel auf rund 1.000 Meter. Von dort liefen wir immer leicht abfallend rund 15 Kilometer nach Santo Domingo oder auch La Garafia genannt. Kurz vorher stießen wir wieder auf den GR 130, der bestens ausgeschildert die ganze Insel umrundet und uns auch gestern begleitet hatte.

Start in Los Sauces

Immer wieder geht es an der Nordküste rauf und runter

Die Landschaft wechselt hier zwischen offenen Wiesen und Ginster-, Kakteen- und Buschvegetationen. Meterhohe Heidebäume erinnern an die Hänge des Kilimandscharo und tatsächlich ist das feuchtwarme Klima gar nicht so unterschiedlich. Nach einem Kaffeestop mit einem „Café con hielo“, der nichts mit dem uns bekannten Eiskaffee zu tun hat und hier aus einem Espresso und einem separat servierten Eiswürfel besteht, schwangen wir uns wieder in den Bus. Wir wechselten beim Umstieg in einen anderen in Puntagorda mit einem Sprint aus dem Supermarkt, als wir an der Kasse schon den Anschlussbus vorfahren sahen und kamen am Nachmittag in Tazacorte an. Carmen, die Besitzerin der kleinen Finca inmitten von Bananenfeldern, empfing uns herzlich. Ihre Villa Kabanita bot von einer inzwischen nötig gewordenen Waschmaschine über einen kleinen Pool und eine Terrasse, von der aus sich perfekt mit einem Sundowner der Sonnenuntergang im Westen erleben ließ, alles für ein perfektes Basecamp-feeling für die anstehenden Touren.

Pause

Blick von der Terasse unserer Unterkunft in Los Sauces

Ziegen im Schlaraffenland

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Tag 3: Pico Bejenado

Für die nächsten drei Tage hatten wir ein Taxi gebucht, das anstelle der sonst im fernen Hochgebirge üblichen Träger oder Esel ein hier übliches Verkehrsmittel zu den Ausgangspunkten ist. Es sollte uns in die Caldera de Taburniente, auf den Kraterrand und zum Startpunkt der Ruta de los Vulcanos bringen. Da die Straßen und Wege wegen des heftigen Regens in den letzten Tagen in die Caldera leider kurzfristig gesperrt waren, planten wir um und ließen uns am nächsten Nachmittag nach einem vormittäglichen Bad am schwarzen Strand von Tazacorte zum Mirador de La Cumbrecita bringen.

Tajogaite – der jüngste Vulkan La Palmas

Am geographgischen Höhepunkt der Woche – Philip, Gabi, Dirk und Marion

Auf dem nebligen Vorgipfel des Bejenado

Sonnenuntergang bei Tazacorte

Von dort aus bestiegen wir den einzigen freistehenden Berg La Palmas, den Pico Bejenado am Südrand der großen Caldera. Wie durch ein Wunder sollte die Caldera für den nächsten Tag frei zugänglich sein, wie wir bei einem Anruf der Nationalparkverwaltung erfuhren.

Barraquito – das Nationalgetränk der Kanaren

Entspannung beim Sundowner

Villa Kabanita – eine Insel im Bananenmeer

Köstlich

Mit Tonis Taxi ließen sich fast alle Ausgangspunkte erreichen

Tag 4: Caldera di Taburiente

Und so fährt uns nun Toni zeitig am nächsten Tag an den Ausgang des riesigen Talkessels unterhalb von Los Llanos. Weiter geht’s nur zu Fuß und so wandern wir in den Barranco de las Angustias über breite Kiesbetten zwischen steilen Felswänden hinauf, immer wieder über schmale Pfade in die Böschung ausweichend. Bei plötzlichem Hochwasser wären kaum Ausweichmöglichkeiten vorhanden. Die Landschaft ist grandios mit bizarren Lavaformationen an den rund 1000 Meter hohen Wänden, deren Wildheit ein intensives Licht unmittelbar erlebbar macht.

Nein – da ist kein Stopfen mehr drin!

Cascada de Colores

Wilde Schluchten in der Caldera de Taburiente

Die Cascada de los Colores führt Niedrigwasser und versteckt so einen Teil ihrer durch verschiedene Mineralien hervorgerufene Farbenpracht. Wir gelangen über steile Pfade, an uralten kanarischen Kiefern vorbei zu einem neben einer kleinen Station der Nationalparkverwaltung gelegenen Zeltplatz mitten in der Caldera. Infrastruktur gibt es außer einer Toilette nicht, die gewaltige Natur und Ruhe lassen aber nichts vermissen. Über einen gut angelegten Weg steigen wir zum Parkplatz Las Brecitas auf und von dort rund 900 Meter hinab zum Ausgangspunkt, wo uns Toni schon mit seiner guten Laune empfängt.

3-2-1 … und schon sind alle auf dem Baum

Zum Glück hatten wir Niedrigwasser

Gut gestärkt vor der Tour

Tag 5: Ruta de los Vulcanos

Nach einem von Philip kreierten Abendessen, das es mit jeder Tapasbar aufnehmen kann und mit Garnelen, Papayas, gebratenen Zucchini, Spaghetti und dem guten einheimischen mineralisch schmeckenden Wein, einer Malvasier-Rebsorte, keine Wünsche offen ließ, bringt uns Toni als Abschlussfahrt am nächsten Morgen zum Rifugio El Pilar auf die Cumbre Vieja.

Unterwegs zwischen Himmel und Erde

Im Anstieg zur Ruta de los Vulcanes

Bei Sonnenschein steigen wir in kurzen Hosen ein und bei Nebel, Sturm und Regen bei 5 Grad auf rund 1.300 Meter wieder aus. Aber auch ohne Sicht auf Vulkane und tiefblaues Meer vermitteln die ersten Stunden im Nebel eine besondere Stimmung. Wir folgen dem GR 131, der dem Inselrücken bis zur Südspitze nach Fuencaliente folgt.

Ein treuer Begleiter durch den Nebel

Gespenstische Aschefelder

Auf der Ruta de los Volcanes

Eine zutrauliche Krähe frisst uns bei der Mittagspause fast aus der Hand. Mit schräg gelegtem Kopf kommt sie skeptisch immer ein kleines Stückchen näher heran, fasst sich ihr kleines Herz und allen Mut zusammen und schnappt sich blitzschnell die Baguettestückchen vor unseren Füßen.

Tag 6: Süden

Los Canarios, auf 700 Meter Höhe gelegen, ist nicht mehr weit. Nach einem Stopp im Hostel geht’s ins einzig offene Restaurant. Die Pizzeria hat geschlossen, da der Chefkoch lieber bei einem landesweiten Wettbewerb um die beste Pizza auf dem Festland teilnimmt. Schade, wir hätten gerne einmal probiert!

Ausläufer des erst 53 Jahre alten Teneguia

Waldbaden to go

Die heutige Tour macht bei schönstem Wetter mit einer tollen Wanderung an den Vulkanen San Antonio, der 1671 entstand, und am Teneguia, der mit seinen 53 Jahren der zweitjüngste der Insel ist, den gestrigen Nebel wett. Als sei die Lava eben erst erkaltet, sind die Ascheregen und Lavaströme in ihren dünnflüssigen und knubbelig dicken bizarr erstarrten Formen zu sehen. Die offene Flanke des Kraterkessels des Teneguias gleicht in ihrem Inneren einem Gesicht. Der Riese schläft. Wir schlendern zum weiß-rot geringelten Faro, bestaunen die Salinen und genießen den Nachmittag am dunklen Kiesstrand.

Blick von Süden an der Westküste entlang bis nach Tazacorte

Salinenfelder bei Fuencaliente

Leuchtturm und Salinenfelder an der Südspitze

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Eine tolle Woche in einer einzigartigen Landschaft geht zu Ende; alle Wünsche wurden erfüllt: Erholung mit viel Genusszeit unterwegs und abendlichen Doppelkopfspielen, gutem Essen durch eine perfekte Mischung aus Meeresfrüchten und spanischen Tapas, Bewegung mit ganz auf den Rucksack angepasste Touren und Sonne, sobald wir uns der Küste näherten. Und dass La Palma eine wundervolle Insel mitten im Atlantik ist – eben eine Isla Bonita -, steht außer Frage. Wir haben sie auch als paradiesich-süß, sehr grün und stellenweise wild kennengelernt.

Text: Dirk Emmerich
Fotos: Marion Buchenthal, Philip Spahr und Dirk Emmerich