2/24 – AKTIVITÄTEN

Kraftquelle Wald:

ein entspanntes Waldbad stärkt uns und tut einfach gut!

Wie gut ein Spaziergang durch den Wald tut, hat sicher jeder von uns schon einmal erlebt. Wir fühlen uns erholt, frisch und voller Tatendrang. Der Aufenthalt im Wald ist gesundheitsfördernd, die heilsamen Effekte sind empirisch belegt: Bewegungsmobilisierung, multisensorische Stimulierung, Stärkung des Immunsystems, die ausgleichende Wirkung auf Emotionalität und Stress. In Japan hat Waldbaden, dort Shinrin Yoku genannt, Tradition, insbesondere zur Entlastung und Regenerierung für Menschen, die in Großstädten leben. Die gesundheitsfördernden Aspekte gehören dort auch bereits zu den Kassenleistungen. Weil mich der Wald schon immer begeistert hat und ich meist recht zügig auf Wanderungen darin unterwegs bin, wurde ich neugierig und habe beim Bundesverband Waldbaden im Teutoburger Wald eine Ausbildung zum Kursleiter Waldbaden absolviert.

„Ich bin einfach neugierig!“, meint Irene, „und lasse mich gerne darauf ein.“ „Wir waren im Frühjahr in Japan und sind gespannt, was Shinrin Yoku tatsächlich ist.“, teilen Pia und ihr Mann ihre Motivation. „Ich habe davon schon viel gehört und möchte mir jetzt selbst einen Eindruck verschaffen.“ Annette legt einen Zweig in den mit Stöckchen vorbereiteten Rahmen auf dem Waldboden. Nach und nach entsteht ein wild zusammengewürfeltes Bild aus verscheidenden Teilen des Waldes, geschaffen von 8 Teilnehmern und mir. Auch meine Neugier ist groß, es ist mein erster Waldbadekurs und ich freue mich riesig, die Gruppe über 4 Stunden durch den Aachener Wald zu führen.

Shinrin Yoku bedeutet wörtlich übersetzt: im Wald baden. Das japanische Zeichen für Baum ist 木, das für Wald 森 – eben viele Bäume. Mit einer entsprechenden Haltung und bewusstem Wahrnehmen des Waldes kann eine erholsame Erfahrung der Verbundenheit mit der Natur erreicht werden. Ich habe vor, kurze Bewegungs-, Team- und Achtsamkeitsübungen zu machen und die Aufmerksamkeit auf Atmung und Sinne zu richten. Dazu habe ich einen ganzen Koffer an Übungen und eine geplante Route durch den Wald. Soweit der Plan … !

Nach einer Übung zum bewussten Ankommen in der Waldumgebung aus Bestandteilen von Chi-Gong, Thai-Chi und Yoga genießen wir die hohen Buchen mit ihren in verschiedensten Farben schimmernden Grüntönen. Diese Farben sind Balsam für unsere Psyche, senken den Blutdruck und wirken entspannend auf unser Nervensystem. Und unser Abwehrsystem wird durch die Terpene, einer der vielen Baumduftstoffe, intensiv gestärkt. Vier Stunden Aufenthalt pro Woche reichen für einen dauerhaften Effekt. All das und noch viel mehr ist seit den 80er Jahren in Japan und Südkorea gut erforscht und belegt. Und diese Erkenntnisse haben sich in den letzten Jahren weiter nach Europa ausgebreitet.

Sich auf die Natur einzulassen, anderen und sich selbst zu vertrauen, spüren wir im Anschluss beim Balancieren über einen Baumstamm mit verbundenen Augen und Handhilfe der anderen. Marlis ähnelt mit ihrem langen Schal dabei schon eher einem Waldgeist. Kurz vor der Mittagspause verteile ich als Amuse gueule junge Fichtentriebe und Sauerampfer, beides mit geschlossenen Augen gar nicht so einfach zu erraten. „Harzig mit einem Stich Limette!“, beschreibt Lisa den Trieb. Der Michelin-Stern hängt schon fast im Baum.

Ich vermesse meine Schritte mit meinem Atem.

Wer möchte, kann nun von der sonnigen kleinen Lichtung über einen Moosteppich ganz bewusst die Füße aufsetzen und vom Ballen her zur Ferse abrollen. Das innere Mantra „Ich vermesse meine Schritte mit meinem Atem.“ unterstützt uns pro Schritt nur einen Atemzug zu nehmen. Mit geschlossenen Augen nehmen wir das prickelnde Gefühl des noch feuchten Mooses intensiv wahr. So erreichen wir langsam, aber sicher unseren Picknickplatz, einen sonnigen Fleck zwischen Kiefern, Eichen und Buchen. Daniel berichtet aus seinem Naturführerlehrgang in Ternell, dass die Buchenblätter der oberen Regionen dicker sind und so mehr Chlorophyll binden können als die schattigeren tiefer hängenden Blätter. Allen schmeckt die mitgebrachte Verpflegung besonders gut – noch so ein Effekt eines langsamen und bewussten Essens an der frischen Luft. Ich lasse alle geplanten Übungen hinter mir und hole aus dem imaginären Methodenkoffer das, was sich gerade gut und richtig anfühlt.

Ein kurzer Wechsel auf ein freies Feld jenseits des Waldrandes macht uns nach der Rückkehr bewusst, wie sehr der Wald auch Schutz und Rückzugsmöglichkeit bietet. Erfahrungen, die unsere Vorfahren sehr geschätzt haben. Über einen Dankbarkeitspfad, bei dem jeder einzelne ganz bewusst für kleine und große Dinge, für die er dankbar ist, Stöckchen, die er damit gedanklich verbindet, in den Boden steckt und diesem tiefglücklichen Gefühl nachspürt, erreichen wir einen alten Baumstumpf. „Ich habe den Eindruck, als würde ich mich tief im Boden verwurzeln.“, beschreibt Sebastian sein Gefühl, nachdem er sich auf ihn gestellt und sich mit den Füßen geerdet hatte. Für ihn als Jäger stellt das Waldbaden eine ganz neue spannende Sicht auf den Wald dar. Die anderen pflichten ihm bei. „Bei mir stellen sich sogar die Nackenhaare auf!“, meint Irene.

Ich habe den Eindruck, als würde ich mich tief im Boden verwurzeln.

Sebastian

Auf dem Weg zurück schenken wir uns selbst ein Lächeln und spüren, wie entspannt und zufrieden wir sind. Achtsam im Hier und Jetzt zu sein, lässt den Alltag mit seinen Sorgen und immer wiederkehrenden Gedanken vergessen. Langsam macht sich die uns allen eigene tiefe innere Freude verbunden mit einem Gefühl des Friedens breit. Wir genießen das herrliche Naturbild des Beverbachs mit seinen Mäandern und gehen zur letzten Station, an der wir „unseren“ Baum treffen. Die Kühle des Buchenstamms überrascht und seine glatte Rinde fühlt sich beim Darüberstreichen doch viel strukturierter an. Ich lehne mich mit dem Rücken an den Stamm und fühle seine Stabilität. Ihn zu umarmen gibt ein Gefühl der stabilen Verbindung mit seinen Wurzeln und über seine Krone gleichzeitig einen Eindruck von Freiheit und Leichtigkeit.

Mit strahlenden Augen sind wir uns auf dem Rückweg einig, den Geschenken des Waldes künftig auch auf Streckenwanderungen mehr Beachtung zu schenken und uns selbst mit einem eigenen Waldbad immer wieder zu stärken.

Text und Fotos: Dirk Emmerich