2/24 – AK UMWELT

Bergsteigerdörfer

Ursprüngliche Bergorte zum Genießen und Verweilen

Juni 2013 – Andreas und ich wandern von den drei Zinnen nach Cortina d’Ampezzo, vorbei am Monte Pelmo, hinunter ins Val di Zoldo, dem Tal der Gelatieri, und wieder hinauf zum MessnerMountainMuseum Dolomites.

Wir erleben einen Höhepunkt nach dem anderen und vom Monte Rite steigen wir zum ersten Mal in ein Bergsteigerdorf ab. Und dort die Überraschung. Cibiana di Cadore empfängt uns in selten gesehener Ursprünglichkeit und – mit Kunst! Ungläubig bestaunen wir Fresken, die auf die Mauern der Häuser des Dorfes gemalt sind und das jetzt den Beinamen „Paese dei Murales“ trägt. Ein wahres Freilichtmuseum mit mehr als 50 Gemälden, die von italienischen Künstlern, teilweise weltberühmt und auch aus Japan und Russland stammend, geschaffen wurden und jährlich durch neue Arbeiten bereichert wird.

Genau diese bergsteigerische und kulturelle Vielfalt halten die inzwischen 38 Bergsteigerdörfer und Talschaften bereit, verteilt über den gesamten Alpenbogen von Slowenien über Österreich, Deutschland und Italien. Die Idee dazu entsteht in den 1980ern an einem Wirtshaustisch in Wien. Man will als österreichischer Alpenverein nicht weiter immer nur „dagegen“, sondern endlich wieder „dafür“ sein.

Peter Haßlacher, „Erfinder“ der Bergsteigerdörfer, sagt 2018, viele Erfolge später und auch nach manch einer Niederlage: „Man muss eine Idee haben. Ich wollte den Alpenverein immer aus dem Verhinderer-Eck herausführen und hatte immer Sympathie für periphere und schwache Gemeinden.“

2008 treffen sich zum ersten Mal Vertreterinnen und Vertreter ausgewählter Dörfer des alpinen Österreichs, der Tourismusverbände und des ÖAV plus einen hochrangigen Ministerialbeamten in Ginzling. Dieser hat (endlich) Geld aus einem staatlichen Fond zur ländlichen Entwicklung im Gepäck und das Projekt „Bergsteigerdörfer“ geht an den Start.

Heute setzen sich genau diese z. T. abgelegenen Regionen in den genannten Ländern ganz bewusst für die Umsetzung der fünf Kernkriterien ein, die ein Bergsteigerdorf (und inzwischen auch ganze Talschaften) erfüllt:

  • Nähe ohne Respektlosigkeit
  • Genuss auf hohem Niveau
  • Bewegung aus eigener Kraft
  • Anregung ohne Hektik
  • Belebtheit ohne Lärm

wiederentdecken, die Ruhe, den Bezug zur Natur, zur Tradition, ohne dabei in sozialromantischen Klischees oder Volkstümelei zu versinken – das probieren die Dörfer in ihren gewachsenen Ortsbildern und mit der Anmut der Landschaften. Das gemeinsame Motto ist der Umkehrschluss des olympischen Gedankens: „Nicht schneller – höher – weiter, sondern langsamer – tiefer – sanfter“.

Als alpine Kompetenzzentren und der Alpenkonvention zutiefst verpflichtet setzen die Bergsteigerdörfer auf Eigenverantwortung, Fähigkeit und Souveränität sowie umweltkundiges und verantwortungsvolles Verhalten ihrer Gäste am Berg. Bei deren Beherbergung beschränkt man sich auf kleine Betriebsgrößen, fördert in der Region verankerte Anbieter und bemüht sich besonders um jene Gäste, die den Ort ohne eigenes Motorfahrzeug erreichen möchten.

In den unterschiedlichen Regionen finden Bergsportbegeisterte verträgliche Formen, ihre Interessen zu erleben im Sommer warten Bergwandern, Weitwandern und Trekking, Hochtouren, Klettern und Klettersteige sowie Mountainbiken auf entschleunigte Enthusiasten, im Winter geht es zum Schneeschuhwandern und auf Skitouren.

Doch gibt es inzwischen auch einen Ausschluss und einen Ausstieg aus dem Verbund. Karls am Großglockner genehmigte den Bau einer Chaletanlage außerhalb des historischen Ortskerns sowie die Skischaukel Großglockner Ressort und Reichenau an der Rax verlängerte 2018 die Kooperation nicht.

Bewusst langsam wächst das Netzwerk weiter. Die Kriterien bleiben streng, damit diese engagierte und eben auch fragile Idee erhalten bleibt, Menschen für die Berge abseits von Massentourismus und Hotspots zu begeistern.

Bergsteigertalschaft Onsernonetal im Tessin

Monte Rite

Bergsteigerdorf Lesachtal Maria-Luggau

Bergsteigerdorf Langiarü

Bergsteigerdorf Ginzling

Bergsteigerdorf Crissolo

Bergsteigerdorf Cibiana

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Inzwischen wird die Liste der Dörfer, die wir besuchten, immer länger und die Verbundenheit mit den dort dauerhaft lebenden Menschen immer stärker:

  • Mauthen im Gailtal und später auch
  • Maria Luggau im Lesachtal rettet uns vor Blitz und Donner auf dem Karnischen Höhenweg
  • nach Touren in der Puez-Geisler Gruppe erholen wir uns in „Lungiarü, tl Parch Natural Pöz Odles“ – Dolomites
  • Das Valle Onsernone im Tessin gehört seit Mai 2024 zum Netzwerk der Bergsteigerdörfer – von seinen Aus- und Anblicken bekommen wir nicht genug …
  • Ginzling verwöhnt uns mit 4 Tagen Starkregen, einem Naturparkhaus und gutem Essen
  • Mallnitz punktet mit Touren „über alle Berge“
  • 2024 lernen wir Crissolo am Monviso in den Cottischen Alpen des Piemont kennen

Das Portal der Bergsteigerdörfer gibt ständig aktualisierte Informationen und die Wikipedia einen sehr guten Überblick. Übersicht Bergsteigerdörfer – direkt auf Seite 1 der Homepage

Pflichtkriterien für Bergsteigerdörfer
  • Tourismusqualität
  • Alpinkompetenz
  • Ortsbildqualität
  • Landschaftsqualität
  • Mobiliätsqualität
  • Kooperationsqualität

Text & Fotos: AK Umwelt

René Anschütz, Susanne Kruchen, Helmut Vor, Georg Stoll (georg.stoll@dav-aachen.de)