2/23 – HÖHENRAUSCH

Höhenrausch

Akute Höhenkrankheit und Akklimatisationsstrategien
für Alpinisten und Trekker

Der Höhentourismus nimmt nach der Überwindung der Corona-Pandemie wieder stark zu. Große Höhenlagen werden auch in den Alpen immer schneller erreicht. Hierdurch steigt das Risiko für die Entwicklung von Höhenkrankheiten merklich.

Der Mensch in der Höhe

Die hypobare Hypoxie führt zu vielfältigen physiologischen Anpassungsreaktionen (Adaptation und Akklimatisation). Bei zu raschem Aufstieg und bei entsprechender individueller Anfälligkeit („Schlechtakklimatisierer“) kann es zu Symptomen einer akuten Bergkrankheit (Acute Mountain Sickness - AMS), eines Höhenlungen-Ödems (High Altitude Pulmonary Edema - HAPE) und/oder eines Höhenhirnödems (High Altitude Cerebral Edema - HACE) kommen. Der Oberbegriff für diese drei Syndrome ist die Akute Höhenkrankheit.
Alle drei Krankheiten können alleine oder in Kombination miteinander auftreten, wenn bei unzureichender Vorakklimatisation zu schnell in zu große Höhen aufgestiegen wird.
Mit zunehmender Höhe nimmt der Luftdruck und damit der Sauerstoffpartialdruck ab. Er beträgt in 5.500 m Höhe gerade die Hälfte, auf dem Gipfel des Mt. Everest nur noch ca. 1/3 des Drucks auf Meereshöhe.
1.500 m
3.000 m bezwingen wir als Mittlere Höhen, 3.000 5.500 m als Große Höhen, darüber hinaus sprechen wir von Extremen Höhen.
Sofern eine langsame Exposition an die Höhenlagen erfolgt ist eine Anpassung (Akklimatisation) möglich. Die unmittelbare physiologische Antwort (Adaptation) auf einen Sauerstoffmangel sind eine beschleunigte Atmung und ein beschleunigter Puls. Die körperliche Leistungsfähigkeit bleibt bei Höhenexposition auch nach erfolgreicher Akklimatisation reduziert.

Höhentauglichkeit

Die Akklimatisationsfähigkeit ist in keiner Weise mit der körperlichen Leistungsfähigkeit korreliert und lässt sich nicht trainieren. Wie gut man sich an die Höhe anpasst ist genetisch determiniert (Ausprägung des Hypoxia induced factor/HIF) und abhängig von der Höhenstrategie. Auch Lebensalter und Geschlecht sind unbedeutend. Es gibt bis heute keine Testmethode zur Vorhersage der Anfälligkeit für Höhenkrankheiten. Viele Alpinisten kennen aber ihre eigene Reaktion auf einen raschen Aufstieg und ihre individuelle Akklimatisationsschwelle. Wer nach der ersten Nacht auf der Hütte oberhalb von 2.0002.500 m weder Kopfschmerzen, noch Appetitlosigkeit und Abgeschlagenheit kennt, hat auf jeden Fall schon einmal gute Karten.

Höhenakklimatisation, Höhentaktik und Präakklimatisation

Die Akklimatisation lässt sich nicht verkürzen! Sie hängt von der individuellen Disposition und der Aufstiegsgeschwindigkeit ab. Die unten beschriebenen Anpassungsstrategien haben daher nicht das Ziel die Akklimatisation zu beschleunigen, sondern das Risiko einer Akuten Höhenkrankheit zu vermindern.

Man akklimatisiert sich bereits ab einer Höhe von 1.500 m. Die individuelle Akklimatisationsschwelle ist jene persönliche Schlafhöhe von der man aus Erfahrung weiß, dass es einem dort immer wieder schlecht geht. Von dort an ist eine konsequente Höhentaktik erforderlich, um später schwere Höhenprobleme zu vermeiden. Diese persönliche Schwelle liegt meist zwischen 2.000 3.000m und bleibt über das ganze Leben gleich.

Von dieser Schwelle an erfolgt jede Akklimatisation bis auf 5.500 m stufenweise.

Die drei wichtigsten Regeln der Höhentaktik sind:


  • Nicht zu schnell aufsteigen
    • Wer schneller geht als ein Ochse, ist ein Ochse“
    • Aerobes Gehtempo (man kann sich beim Gehen unterhalten)
      • 1:2 Atemrhythmus (1Schritt Einatmen, 2 Schritte Ausatmen)
  • Keine intensive Anstrengungen
    • Starke körperliche Belastung oder gar Erschöpfung erhöhen das Risiko einer Höhenkrankheit deutlich.
  • Schlafhöhe unter höchster Tageshöhe (wandere hoch – schlafe tief)
    • Schlafhöhenunterschied über 3.000 m sollte ca. 400 Hm/Tag nicht überschreiten
    • Ca. jeder 3. Tag Übernachtung auf gleicher Höhe (Akklimatisationstag)

Weitere taktische Empfehlungen für eine erfolgreiche Akklimatisation sind:

  • Kein Solo-Trekking (erkranken signifikant häufiger schwer)
  • Bei raschem Transport auf Schlafhöhe > 2.000 m, 2 Nächte auf ähnlicher Höhe bleiben
  • Vermehrte Flüssigkeitszufuhr (Trinken nach Plan, mindest. 3 – 5l, Urinmenge (und -Farbe) kontrollieren, Urin muss hell sein

Parameter für eine gelungenen Akklimatisation sind:

  • Ruhepuls im Bereich des persönlichen Normwertes
  • Vertiefte Atmung in Ruhe und unter Belastung
  • Vermehrtes nächtliches Urinieren (Höhendiurese)
    • Fehlende Höhendiurese spricht für Flüssigkeitsdefizit und/oder schlechte Akklimatisation

Akute Höhenkrankheit

Misslingt die Höhenanpassung wird man akut höhenkrank. Die akute Bergkrankheit (AMS) ist mit Abstand die häufigste Form einer Akuten Höhenkrankheit und kann durchaus schon in mittleren Höhen ab 1.500 m vorkommen. Häufig erfahren nicht ausreichend vorakklimatisierte Bergsteiger ab Höhen von ca. 2.200 – 2.500 m Symptome wie Kopfschmerz, Übelkeit und Abgeschlagenheit.

HAPE mit schwerer Luftnot und HACE mit Bewusstseinsstörungen treten vornehmlich in großen und extremen Höhen auf.

Die Fünf Goldenen Regeln der der Himalaya Rescue Organization (HRA) gelten auch im alpinen Raum:

  • Jeder kann höhenkrank werden, keiner muss daran sterben
  • Jede Gesundheitsstörung in der Höhe ist verdächtig auf eine Akute Höhenkrankheit. (V.a. mit Kopfschmerz)
  • Bei Höhenkrankheit kein weiterer Aufstieg
  • Wenn es Dir schlecht geht, steige sofort ab
  • Keine Person mit Höhenkrankheit darf alleine gelassen werden

Therapie der Höhenerkrankungen

Zur Therapie einer leichten Akuten Bergkrankheit reicht meist ein Ruhetag auf gleicher Höhe aus. Die Symptome sollten sich nach 24 – 48 Stunden vollständig zurückgebildet haben.

Auf eine der Höhenlage angepasste ausreichende Trinkmenge ist unbedingt zu achten und im Zweifelsfalle immer erst einmal auch ein vermutetes Flüssigkeitsdefizit auszugleichen.

Bei starker akuter Bergkrankheit ist der rechtzeitige (!) Abstieg, so lange er noch möglich ist, um 500 – 1.000 Höhenmeter die Option der Wahl. Die Erholung setzt dann meist rasch ein und das Bergziel kann häufig noch erreicht werden. Ein höhenkranker Bergsteiger wird niemals alleine nach unten geschickt.

Fazit

Eine Akute Höhenkrankheit kann sich jederzeit innerhalb der ersten Tage nach Aufstieg in Höhen über 2.000 – 3.000 m entwickeln. Während die akute Bergkrankheit harmlos und in der Regel selbstlimitierend ist, sind das Höhenlungenödem und Höhenhirnödem lebensbedrohliche Erkrankungen, die eines sofortigen Abstieges und einer ärztlichen Notfalltherapie bedürfen. Werden bestimmte Verhaltensmaßnahmen eingehalten, wie zum Beispiel eine moderate Aufstiegsgeschwindigkeit und eine gute Vorakklimatisation, kann die Höhentoleranz deutlich verbessert werden.

Aus redaktionellen Gründen konnte der Artikel hier nur deutlich verkürzt erscheinen. Den ausführlichen Artikel finden Sie auf der Homepage des Autors. Dort erhalten Sie einen Überblick über die Reaktion des menschlichen Organismus auf die Höhe und praktische Hinweise zu Akklimatisationsstrategien, Höhentaktik, Präakklimatisation und Medikationen.

Dr. med. Jörg Konrad Mellies, MBA
Arzt für Neurologie, Geriatrie, Rehabiltations- und Sportmedizin. Berg- und Höhenmedizin (DIMM/UIAA)

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